Die 943 Seiten, die ein US-Gericht am Mittwoch veröffentlicht hat, enthalten viele Klarnamen bekannter Persönlichkeiten aus dem Umfeld des verstorbenen Investmentbankers Jeffrey Epstein. Aber nur in den wenigsten Fällen geht es um Anschuldigungen sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen. Die Richterin Loretta A. Preska hatte der Veröffentlichung unter anderem zugestimmt, weil die meisten Informationen aus den Dokumenten bereits zuvor den Weg an die Öffentlichkeit gefunden hatten.
Sprengkraft hat das Ganze allerdings auch für die Personen in den Dokumenten, die keiner Straftat bezichtigt werden. Schließlich könnte jegliche Verbindung mit Epstein, der sich 2019 in seiner Gefängniszelle mutmaßlich erhängt hat, rufschädigende Konsequenzen haben. Worum genau geht es also in den "Epstein-Dokumenten", welche Prominenten werden erwähnt - und wer war noch einmal Ghislaine Maxwell?
Um was für Dokumente geht es?
Die Papiere wurden im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gegen Ghislaine Maxwell veröffentlicht, der ehemaligen Freundin von Epstein, die eine 20-jährige Haftstrafe absitzt, weil sie Mädchen und junge Frauen rekrutiert haben soll, die dann von Epstein und anderen in seinem Umfeld sexuell missbraucht wurden. Maxwell soll die meist Minderjährigen beispielsweise unter dem Vorwand einer Anstellung als Masseurin angeheuert und dann zur Prostitution gezwungen haben.
Es handelt sich um Unterlagen aus Zeugenvernehmungen, um E-Mails und andere Schriftstücke. Sie enthalten Aussagen von Maxwell selbst, sowie unter anderem von Virginia Giuffre, die das Verfahren gegen Maxwell anstrengte, und Johanna Sjoberg, die ebenfalls von Maxwell rekrutiert worden sein soll. Den ersten 40 Dokumenten, die jetzt veröffentlicht wurden, sollen laut der Nachrichtenagentur AP rund 250 weitere folgen.
Wichtig: Nur, weil ein Name in dem Gerichtsverfahren fiel und so in den Unterlagen landete, heißt das nicht, dass der Genannte zu jenen Personen gehört, die auf Epsteins Insel oder in einem seiner Luxusappartments minderjährige Mädchen missbraucht haben sollenoder die sonstiger Vergehen schuldig sind.
Wer wird in den Epstein-Dokumenten genannt?
Bill Clinton, Donald Trump, Prinz Andrew, Michael Jackson - die Liste der prominenten Namen, die sich in den Unterlagen finden, ist lang. Einige waren bisher hinter dem Pseudonym John Doe verborgen geblieben, andere gingen schon vor einigen Jahren durch die Presse. Prinz Andrew, der jüngere Bruder des britischen König Charles, einigte sich 2022 außergerichtlich mit Giuffre, die ihn des sexuellen Missbrauchs beschuldigt hatte. Prinz Andrew bestreitet die Vorwürfe. Zu den nun veröffentlichten Dokumenten gehört auch eine Aussage von Sjoberg über ein Treffen mit Prinz Andrew in Epsteins New Yorker Wohnung. Der britische Royal habe mit ihr und Giuffre für ein Foto posiert, so Sjoberg, und habe dabei ihre Brust begrapscht.
Eine weitere Aussage Sjobergs betrifft Bill Clinton, von 1993 bis 2001 Präsident der Vereinigten Staaten. Epstein habe ihr gesagt, so Sjoberg, "dass Clinton sie jung mag, in Bezug auf Mädchen." Der Ex-Präsident wird in den Dokumenten nirgendwo einer Straftat bezichtigt.
Bereits 2019 hatte es Spekulationen über Clintons Verbindung zu Epstein gegeben. Der ehemalige Präsident war in den frühen 2000er Jahren einige Male mit Epsteins Privatjet geflogen, auf philanthropischen Reisen für die Clinton Foundation. 2019 veröffentlichte Clintons Sprecher Angel Urena ein Statement, in dem es hieß, Clinton "weiß nichts über die schrecklichen Verbrechen", die Epstein begangen habe. Während seiner Flüge mit Epsteins Jet sei Clinton immer von seinem Tross inklusive seiner Secret-Service-Bodyguards begleitet worden, außerdem habe er schon "seit weit mehr als einem Jahrzehnt" nicht mehr mit Epstein gesprochen.
Der ehemalige Präsident und aktuelle Präsidentschaftsanwärter Donald Trump wird ebenfalls nur kurz erwähnt. Sjoberg sagte aus, Epstein habe eines von Trumps Kasinos in Atlantic City ansteuern wollen, nachdem sein Privatjet wegen Sturms nicht in New York landen konnte. Auf die Frage, ob sie Trump jemals massiert habe, antwortete Sjoberg mit "Nein". Auch Trump wird in den Dokumenten keiner Straftaten beschuldigt.
Das gilt auch für Michael Jackson. Der 2009 verstorbene Sänger kommt nur am Rande in der Aussage Sjobergs vor. Auf die Frage, ob sie in Epsteins Gesellschaft jemals Prominente kennengelernt habe, antwortete Sjoberg "Ich traf Michael Jackson… in Jeffreys Haus in Palm Beach." Ihn habe sie ebenfalls nicht massiert.
Die Fälle Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell
Jeffrey Epstein wurde 2019 angeklagt, einen Ring zur sexuellen Ausbeutung Minderjähriger unterhalten zu haben. Im August 2019, noch vor Beginn des eigentlichen Gerichtsprozesses, wurde er tot in seiner Zelle aufgefunden. Die offizielle Todesursache war Suizid. Bereits 2005 wurde er das erste Mal des sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen beschuldigt; die Eltern einer 14-Jährigen in Florida erstatteten Anzeige. Mehr als 50 mutmaßliche Opfer meldeten sich während der Ermittlungen bei der Polizei. Epstein ging einen Deal mit der Staatsanwaltschaft ein und war nach 13 Monaten Haft (mit bis zu 12 Stunden Freigang pro Tag) wieder auf freiem Fuß. 2019 erhob die New Yorker Staatsanwaltschaft Anklage. Zwischen 2002 und 2005 soll er hunderten minderjährigen Mädchen sexuelle Gewalt angetan oder sie zur Prostitution gezwungen haben.
Ghislaine Maxwell war in den frühen 1990er Jahren die Lebensgefährtin von Epstein. DieTochter eines britischenMedienmogulswurde 2021 in fünf Anklagepunkten schuldig gesprochen, darunter Menschenhandel mit Minderjährigen für sexuelle Zwecke. Sie wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt und hat Berufung eingelegt. Neben der Rekrutierung für Epstein und seinen Zwangsprostitutionsring soll Maxwell auch selbst Mädchen sexuell missbraucht haben. Das warfen ihr mehrere Frauen in Zivilprozessen vor.